Gurren für den Zweifel

von Christoph Tannert

Wer in Lewandowskys raumgreifende Installationen hineinstolpert, erlebt nichts Außergewöhnliches. Wer sie nur zum Nennwert nimmt und nicht gleichzeitig das Werk des Künstlers in seinem fast zwanzig Jahre andauernden Bemühen estimiert, Wege aus dem Geworfensein, der Vergeblichkeit, aus Schicksalsahnungen und den Tagesbefehlen aus der Chefsessel- und Rollstuhlfront zu suchen (und zu finden), der bekommt nichts ab von der dramatischen Wut, die der Künstler in der Lage ist weiterzugeben.

Das irremachende Gurren und die sinnlose Euphorie des Flügelschlagens in einem verkackten Taubenschlag deute ich als Hintergrundrauschen eines Gleichnisses über den Kunstbetrieb mit seinen permanent vollmundig angekündigten Novitäten und leeren Versprechungen.

Sklavisch gekettet an einen Autonomiebegriff, der sich weder auf Ordnung noch auf Widerstand in der Gesellschaft bezieht, sondern sein Heil im Herumopern sucht, hat sich eine Form der Gegenwartskunst entwickelt, die den Ghetto-Status bevorzugt, weil sie weder in der Lage ist, eine funktionale noch eine semantische Dimension auszuprägen.

Nach der Art einer Schicksalsskizze entwickelt Lewandowsky dazu sein Bild vom Halbinsel-Syndrom. Auf drei Seiten vom steglosen Wasser des bloßen Dafürhaltens umgeben und nur spärlich verbunden mit dem Festland der Objektivierbarkeit, ist die Halbinsel ein Ort der Skepsis.

Wie die Göttin Leto, die, wegen eines Techtelmechtels mit Zeus unter Heras Fluch geraten, weder zu Wasser noch zu Lande ihre Zwillinge Apoll und Artemis gebären durfte und sich deshalb entsetzte und ins Exil auf eine ferne Landzunge ging, versucht auch Lewandowsky sich auf die Halbinsel des Wissens, in den philosophischen Zweifel zu flüchten.

Vorgeführt wird ein halboffenes Deutungssystem, das den grundlegenden Zweifel an der Wahrheit als Wahrheit von etwas, an der Vernunft als Erkenntniskraft und an der Wirkung des Zeichenbezugs impliziert.

Lewandowsky lässt die Irrationalität als durchgeknallte Schwester des Logos in einer Groteske aufleben. Das ist das Resthäuflein Kulturpessimismus, das die Zweifel an der Besonderheit und Freiheit des Menschen nährt.

Der Text ist erschienen anlässlich Via Lewandowskys Ausstellung paeninsula im n.b.k., 2006